SPECTARIS-Medizintechnikvorstand als Sachverständiger im Bundestag / Rückkehr zu einem risikobasierten Ansatz gefordert
Dr. Martin Leonhard, Vorsitzender Medizintechnik im Deutschen Industrieverband SPECTARIS, sprach heute als Sachverständiger im Deutschen Bundestag. Er nahm an der öffentlichen Anhörung im Umweltausschuss zum CDU/CSU-Antrag „Vorteile von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) weiter nutzen – Wertschöpfung erhalten – Gesundheit und Umwelt schützen“ teil. Leonhard trug dabei zu den Auswirkungen eines PFAS-Verbots am Beispiel der Medizintechnikindustrie vor.
Hintergrund der Debatte ist der erste formelle Schritt in Richtung eines europäischen Verbots von PFAS, eingebracht am 13. Januar 2023 von den Niederlanden, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen. Gemeinsam wurde ein Beschränkungsvorschlag bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Der Vorschlag zielt darauf ab, sowohl die Verwendung als auch die Herstellung von PFAS zu verbieten, um die Risiken für Mensch und Umwelt zu verringern. Das vorgeschlagene Verbot weist eine hohe Komplexität auf, da es mehr als 10.000 verschiedene Arten von PFAS umfasst, die in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt werden.
Die Stoffgruppe der Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) ist für die industrielle Fertigung von enormer Bedeutung, da diese Stoffe auch unter extremen Temperaturen oder in aggressiven Umgebungen kaum Verschleiß zeigen. Damit sind PFAS für viele Produktionsschritte etwa in der Herstellung medizintechnischer Geräte unverzichtbar. Die dabei überwiegend eingesetzten Fluorpolymere als Teilgruppe der PFAS werden gemäß OECD-Kriterien als überwiegend unbedenklich für Mensch und Umwelt eingestuft.
"Wir brauchen PFAS-Hochleistungswerkstoffe, damit Ärzte und andere Anwender das Beste für Patienten leisten können", betont Leonhard, der im Bundestag darlegte, dass ein pauschales Verbot erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichten würde. SPECTARIS schätzt, dass mindestens 1/3 aller Medizinprodukte, etwa 150.000 Produkte, nicht mehr verfügbar sein werden, da alternative Hochleistungswerkstoffe nicht in Sichtweite sind. "Es geht um Menschen, es geht um zig Millionen Patienten allein in Deutschland - aus unserer Sicht nicht weniger als ein gesellschaftlicher Supergau mit Ansage", so Leonhard.
Er stellte im Bundestag dar, dass eine Flut an dezidierten Ausnahmen das Problem nicht lösen wird. Im Gegenteil: Es wird ein nicht handhabbarer regulativer Tsunami geschaffen. Ein risikobasierter Ansatz im Einklang mit der bestehenden REACH-Verordnung wäre sinnvoller. "Ein pauschales PFAS-Verbot macht den Einsatz unverzichtbarer Hochleistungswerkstoffe vielfach unmöglich und gefährdet die technologische Souveränität und Versorgungssicherheit in der EU massiv", erklärt Leonhard. "Es ist dringend erforderlich, jetzt klare Signale von politischen Entscheidungsträgern zu erhalten, um ein schleichendes Abwandern wichtiger europäischer Hightech-Industrien zu verhindern.“
Hier finden Sie das aktuelle PFAS-Standpunktpapier von SPECTARIS, in dem alle zentralen Forderungen und Lösungsansätze ausführlich erläutert werden.
Was ein PFAS-Verbot ganz konkret bedeuten würde, hat als ein Beispiel der Branche das Medizintechnikunternehmen KARL STORZ zusammengefasst. Am Beispiel des endoskopischen Resektoskops wird in einem Erklärvideo deutlich gemacht, dass es derzeit in vielen Fällen keinen Alternativstoff zur PFAS-Verwendung gibt. Damit dürften nach der drohenden Verordnung etliche Medizintechnikprodukte nicht mehr verkauft und auch in Benutzung befindliche Geräte nicht mehr repariert werden. Diese Materialien stehen Ihnen online hier zur Verfügung.