Zweites Rezessionsjahr droht / Unsicherheit bei den Unternehmen groß / Politik muss überbordende Regulatorik begrenzen
Angesichts der weltweiten Krisen und des Streits um den Bundeshaushalt erwartet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung auch im kommenden Jahr. Das wäre das zweite Jahr mit schrumpfender Wirtschaft in Folge. „Während die Wirtschaft im Ausland wächst, stottert der deutscher Wirtschaftsmotor. Deutschland steht unter den großen Ländern damit völlig alleine da. Das bedeutet: Die Probleme sind hausgemacht. Andere Wirtschaftsnationen machen es besser“, betont SPECTARIS-Vorsitzender Dr. Bernhard Ohnesorge.
Die Wirtschaft braucht Sicherheit, Unterstützung und positive Signale von der Politik, aber das Gegenteil ist der Fall. „Die Unsicherheit bei den Unternehmen ist groß, der Frust wächst.“, betont Ohnesorge. Von einer Aufbruchstimmung sei gerade nichts zu spüren. Ein Grund hierfür: bürokratische Hürden. „Die Politik beschließt unentwegt zusätzliche administrative Hürden für unsere ohnehin seit Jahren krisengeplagten Unternehmen. Statt versprochenem Belastungsmoratorium kommen permanent neue Vorschriften hinzu.“, so Ohnesorge weiter. So wurde auf EU-Ebene in den letzten Jahren permanent Bürokratie aufgebaut, im Jahr 2022 stieg die In-Out-Quote von neuen zu aufgehobenen Rechtsakten auf einen Rekordwert von 3,5 zu 1. Im Jahr 2023 droht dieses Verhältnis auf über 5 zu steigen. Die Kernziele der Regelungen sind in den meisten Fällen wichtig, die Ausgestaltung aber nicht. Regulatorische Rahmenbedingungen, die die Innovationskraft von Unternehmen globale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, müssen auf ein unbedingt erforderliches Mindestmaß begrenzt werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um das Risiko der Abwanderung hochinnovativer Unternehmen aus Deutschland zu reduzieren und die Gründung von Hightech-Startups zu fördern.
Eine aktuelle Umfrage von SPECTARIS, dem DIHK und Medical Mountain sorgte jüngst für Entsetzen: Aufgrund der neuen Medizinprodukteverordnung werden in mehr als jedem zweiten Produktportfolio einzelne Produkte, teils ganze Produktlinien und komplette Sortimente vom Markt genommen. In fast 20 Prozent der Fälle gibt es keine gleichwertigen Alternativen am Markt. Der Schaden für die Gesundheitsversorgung und letztlich für die industrielle Gesundheitswirtschaft durch überbordende Regulierung ist an diesem Beispiel unübersehbar.
Eine Studie der EU-Kommission erkannte bereits 2020, dass der relative Verwaltungsaufwand von KMUs rund fünfzehn Mal größer ist als bei größeren Unternehmen. Unternommen wird dagegen aber nichts. Im Gegenteil: Ab 1. Januar 2024 gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch für Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Zuvor lag die Grenze bei 3.000 oder mehr Beschäftigten. Davon unabhängig werden in den Geschäfts- und Lieferbeziehungen heute schon alle Anforderungen des Gesetzes auf kleine Firmen durchgereicht, unabhängig von der Größengrenze. Hinzu kommt nun noch die EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD), deren Regelungen zu einer weiteren unverhältnismäßigen, enormen bürokratischen Belastung der Unternehmen führen, verbunden mit Sanktions- und Haftungsregeln, die realitätsfern und nicht zielführend sind.
Die Bürokratie nimmt in der Summe aus europäischer und deutscher Regulierung zu, nicht ab, sei es die europäische Medizinprodukteverordnung, das drohende PFAS-Beschränkungsverfahren, zahllose Berichtspflichten oder der AI-Act. „Dabei hinterlässt schon die bloße Ankündigung tiefe Spuren bei Investitionsentscheidungen, selbst wenn diese nach jahrelangen Verfahren ganz oder teilweise zurückgenommen wird. Es darf beim Bürokratieabbau nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben“, sagt Ohnesorge. „2024 muss endlich das Jahr des Bürokratieabbaus werden. Nur so kann Deutschland seine beeindruckenden Stärken ausspielen.“